Die Verfluchten

Fünftes Kapitel

Erste Szene

(Gustaf reitet an einem Feld vorbei, wo eine Bauersfamilie das reife Getreide ernten.)

 

Gustaf: (Bringt das Pferd kurz vor den Bauern zum Stehen.)

Habt ihr etwas Wasser für mein Pferd

Und meine durst´ge Kehle?

Die Sonne brennt sehr heiß um diese Zeit.

 

Bauer: Aber ja, Herr.

 

(Er nickt seinem Sohn zu und dieser rennt sofort los, um einen Krug mit Wasser, der unter einem Baum im Schatten steht, zu holen.)

 

Euer Pferd könnt ihr am Bache tränken,

Der nicht weit von hier vor´m Walde fließt.

Entschuldigt, daß wir euch nicht mit Bechern dienen,

Wir sind nur eine arme Bauernsippe,

Nicht gewohnt mit solch hohem Anseh´n umzugeh´n.

 

Gustaf: (Steigt vom Pferd.)

Schon gut, du brauchst dich nicht zu grämen.

 

(Der Junge kommt gelaufen und reicht Gustaf den Krug.)

 

Junge: Hier, mein Herr.

 

(Die Eltern lächeln zufrieden.)

 

Gustaf: (Nimmt den Krug und trinkt.)

Ahhhh..., wie wunderbar es schmecken kann.

(Zufrieden schaut er den Jungen an.)

Kannst du reiten?

 

(Der Junge schüttelt den Kopf.)

 

Dann nimm die Zügel

(Er gibt sie ihm.)

Und führe es zum Bach damit es saufen kann.

Wenn´s genug vom Wasser hat, bringst du´s zurück.

 

(Mit großen Augen geht der Junge los, die Eltern schauen sich erstaunt an.)

 

Sorgt euch nicht, das Pferd ist gut.

Ich will mich etwas ruh´n vom reiten

Und ihr sollt mir Gesellschaft leisten.

 

(Gustaf geht zum Baum am Feldesrand und setzt sich in den Schatten, die Bauern stehen wie angewurzelt und verwirrt.)

 

Was ist?!

Bin ich euch nicht fein genug,

Daß ihr mit mir nicht ruhen wollt?

 

(Die Bauern kommen.)

 

Großvater: Herr, ihr müßt versteh´n,

Eure Sitten und Gebräuche kenn´ wir nicht.

Und allzu ungewiß ist, daß ihr mit uns

Zur Pause ruhen wollt, ein hoher Herr wie ihr

Mit nicht´gen Bauern, wie wir es sind.

 

Gustaf: Jetzt setzt euch schon!

 

(Großvater, Bauer und Bäuerin setzen sich.)

 

Ich habe Lust auf Unterhaltung,

Nun, da weit und breit kein Mensch,

Kann ich nur mit euch hier Vorlieb´ nehmen.

Und schauet nicht so düster drein,

Ich tu´ euch sicher nichts.

Viel zu schön ist dieser Tag,

Als daß man ihn von Sonnenauf-

Bis Untergang dem Felde opfern darf.

Also scheucht die Sorgen aus den Gesichtern.

 

Bauer: Für wahr Herr, es ist ein göttlich´ Tag,

Und g´rade drum das Feld uns ruft.

Die Gunst der Sonne nutzen, das Korn ist reif,

Und muß so schnell wie möglich eingebracht,

Bevor der nächste Regen, oder Sturm gar kommt.

Jede Hand und jede Weile zählt, geht auch nur

Der aller kleinste Teil verloren,

Kommt das große Unheil über uns,

Weil wir dann nichts mehr für den Winter haben,

Oder als Saat für´s nächste Jahr.

 

Gustaf: (Verwirrt.)

Hier ist genug, so weit das Auge sieht,

Seh´ ich die gelben Felder.

 

Großvater: Nicht daß wir klagen wollen,

Herr, so ist´s nicht, doch die königliche Steuerlast

Drückt allzuschwer, von Jahr zu Jahr

Wird sie noch mehr,

Hinzu kommt noch

Der Kirchenzehnt, was uns dann bleibt

Ist nicht genug,

Daß es uns bis in den Frühling bringen könnt.

 

Bauer: Gnadenlos wird gegen jene vorgegangen,

Die nicht zahlen können, viele Nachbarn

Und auch wir selbst haben´s schon zu spüren...

(Er unterbricht sich.)

 

Gustaf: (Neugierig.)

Was? Was ist gescheh´n?

 

Bauer: Vor fünf Jahren, als ein Sturm,

Das ganze Feld samt Ernte vernichtete,

So daß wir nichts hatten als die Schergen kamen.

Sie vergingen sich an meinem Weib,

Und schlugen es danach fast tot.

Meinen Vater und auch mich peitschten sie

Bis vor Blut kein Fleisch noch Haut zu sehen war.

 

(Der Bauer zeigt seinen vernarbten Rücken.)

 

Daher kommt uns´re Sorge, die ihr, Herr,

In uns´ren Gesichtern seht.

 

Gustaf: Wenn das so ist,

Was sitzen wir dann hier noch rum?!

(Steht auf.)

Laßt uns das Korn zur Ernte machen!

 

(Die Bauern stehen entsetzt auf.)

 

Großvater: Aber Herr, das könnt ihr nicht!

 

Gustaf: Wer ein Schwert führen will,

Der muß auch hiermit kämpfen können.

 

(Gustaf nimmt die Sichel, die auf dem Boden liegt, und führt sie gekonnt.)

 

Bauer: Herr, was macht ihr da!?

Wenn man euch hier sieht?

 

Gustaf: Niemand sieht uns zu

Und wenn, er kann uns nichts.

Nun kommt schon, es ist genug an Zeit vergangen,

Wo kein Halm mehr fiel!

 

(Vorhang.)


Zweite Szene

(Heinrich II. sitz auf seinem Thron, neben ihm steht sein Minister, Gustaf steht abseits und schaut aus dem Fenster, Zacharias sitzt auf einem Stuhl in der Nähe des Königs, zwei Soldaten stehen vor dem König.)

 

Heinrich: Wenn´s so ist,

(Gereizt.)

Dann bringt ihn mir!

Aus seinem Munde will ich´s hören!

(Macht eine Köpfbewegung, daß die Soldaten gehen sollen.)

 

(Soldaten ab.)

 

(Zum Minister, laut.)

Was bekomm` ich heute noch zu hören?!

Womöglich noch, daß Feindes Schergen

Meine Dörfer plündern, oder so?!

Ich will mich rüsten, Männer - nein Krieger

Will ich um mich horten, will den Feinden,

Allen samt, zuvor mit gnadenloser Härte kommen.

 

Zacharias: Ihr habt viel Witz,

Doch ebensoviel Witz ihr habt,

Wird es euch auch an Geldern kosten.

Gute Ritter, Kämpfer, Fußvolk alle kosten Geld,

Selbst wenn sie auf ihren Sold verzichten mögen.

 

Heinrich: Das laßt meine Sorge sein.

Ich werde Wege finden, doch bis dahin,

Werd` ich jene Wege geh´n, die von altersher bekannt.

(Zum Minister.)

Die Steuern werden angehoben, alle Zölle ebenso,

Mit größ´rer Härte als bisher auch eingetrieben.

 

(Gustaf dreht sich mit plötzlichem Interesse dem Geschehen zu.)

 

Zuwiderhandeln gleich bestraft,

Doch keine Toten will ich seh´n, die zahlen nichts.

Schneidet Ohren, baut viele neue Pranger,

Erhöht die Hiebe mit dem Stock und so weiter,

Ihr wißt schon was ich mein`.

Kein Mensch darf mir verloren geh´n,

Wenn ich´s nicht selber will.

Alle led´gen jungen Männer in meinem Reich,

Die ein Schwert schon führen

Oder auch nur halten können,

Werden hergebracht, um das treue Handwerk

An der Waffe zu erlernen, mir zu dienen.

Begründet, daß die Steuern angehoben,

Um die neuen Helden ihres Landes zu versorgen,

Die das Reich vor Überfällen schützen sollen.

So wird sich der Zorn in Grenzen halten lassen.

 

Zacharias: Ich irrte als ich meinte,

Ihr hättet Witz - doch dies ist kein Witz mehr,

Euer Hoheit, was ihr da plant, das ist genial!

 

Heinrich: (Sieht Gustafs erschrockenen Gesichtsausdruck.)

Wie´s scheint, so ist mein Vetter,

Nicht so ganz der euren Meinung.

(Zu Gustaf.)

Eure Meinung, Fürst, ich will sie hören!

 

Gustaf: Ich versteh´ nicht ganz, was soll das werden?

Von welchen Feinden sprecht ihr da?

 

Heinrich: (Mißtrauisch.)

Ach daher euer erschrocken Angesicht.

Ich glaubte fast ...

(Winkt ab und steht auf.)

Ach was, ich irrte nur.

(An den Minister.)

So soll es sein, wie ich gesagt, sofort!

 

(Schickt den Minister mit einer Kopfbewegung hinaus, Minister ab.)

 

Und ihr euer Gnaden, wollt uns wirklich schon verlassen?

 

Zacharias: Es wird nun Zeit,

Denn viel zu lange schon als ich geplant der Ort mich hielt.

 

Heinrich: (Geht zu Zacharias, nimmt seine Hände.)

Nun denn, so reist mit Gott und lebet wohl.

 

(Gustaf tritt heran, Heinrich geht zum Thron.)

 

Gustaf: Lebt wohl Ehrwürden.

(Küßt seine Hand.)

 

(Zacharias ab; Schweigen; Heinrich geht auf Gustaf zu, nimmt seinen rechten Zeigefinger an den Mund.)

 

Heinrich: (Ruhig und nüchtern.)

Es ging euch um die Steuern,

Doch dann überkam euch Furcht,

Mir wieder eure Stirn zu bieten.

Ihr haßt mich.

Nur warum?

 

Gustaf: Euer Hoheit, erlaubt,

Daß ich mich nun entfern´.

Und morgen werde ich nach Hause

Mit meinem Weibe reisen.

 

Heinrich: (Zerstreut.)

Ja.

(Winkt mit der rechten Hand.)

Nur zu, geht.

 

(Gustaf ab; Heinrich setzt sich auf seinen Thron, nachdenklich.)

 

Heinrich: Zum Freunde wollt´ ich dich,

Nun hab´ ich dich zum Feind.

Welch´ harte Zeit steht mir bevor?

Ich muß es wagen.

 

(Vorhang.)


Dritte Szene

(Gustaf liegt tot am Boden, Mörder steht mit dem blutigen Dolch vor dem Toten, schaut sich schuldig um, will fliehen, läuft Theresia in die Arme.)

 

Theresia: (Sieht den Toten; laut schreiend.)

Hilfe, zu Hilfe!

Wachen! Zu Hilfe!

(Zum Mörder noch lauter schreiend.)

Mörder!

 

(Mörder besinnt sich und sticht zu, zwei Wachen stürmen herein, Theresia fällt tot zu Boden, Mörder zieht sein Schwert, es kommt zum Kampf; Mathilde stürzt herein, sie sieht zu erst Theresia liegen und dann Gustaf, ungeachtet der Kämpfenden stürzt sie auf Gustaf und unter Tränen umarmt sie ihn und küßt ihn immerzu auf ´s Gesicht.)

 

Mathilde: Sprich doch mit mir,

Sag´ doch was!

Ich fleh´ dich an, du darfst nicht tot sein!

Liebster! Oh Gott!

(Zum Mörder der sich immer noch wehrt.)

Was hast du getan!?

(Sie brüllt.)

Warum?!

 

(Einer der Wachen streckt den Mörder mit einem Stoß nieder, dieser fällt zu Boden, Mathilde springt auf den Mörder zu, packt ihn am Kragen.)

 

Mathilde: (Verzweifelt, weinend.)

Warum?! Warum?!

 

(Mörder beugt sich an ihr Ohr, flüstert, nicht für die Wachen zu hören und zu sehen und stirbt, Mathilde steht mit weitaufgerissenen Augen auf, wird kreidebleich, und fällt in Ohnmacht; Vorhang.)


Vierte Szene

(Heinrich II. auf dem Thron die beiden Wachen, die gegen den Mörder kämpften, vor ihm kniend.)

 

Heinrich: Hat der Fürst denn nicht geschrie'n?

 

1. Wachmann: Nein, mein König.

Erst als die Amme, den Raum betrat,

Rief sie um Hilfe,

Doch wie wir hinein uns stürzen,

So lag der Fürst schon tot am Boden und der Meuchler,

Der nun aus Verzweiflung auch noch die Amme

Mit seinem blutbeflecktem Dolche zu Tode stieß

Und wollte flieh´n.

 

Heinrich: Kam ein Wort aus des Mörders Mund?

 

2. Wachmann: Nein, mein König.

Wie der Meuchler uns erblickt begann der Kampf.

Er zog sein Schwert und vergebens sucht er sein Heil im Sturm.

Gleich darauf, wie wir begannen ihn zu stellen

Kam die Prinzessin herbei geeilt, sieht uns im Kampf und dann

Die tote Amme und dann den Fürsten,

Auf den sie sich ohne Zögern

Aus tiefster Verzweiflung warf,

Ungeachtet uns´res Kampfes.

Doch wie ich den Meuchler tödlich treff´, sie unverzüglich

Sich auf diesen stürzt,

Ihn mit aller Kraft am Kragen packt

Und verzweifelt klagt,

Warum er dieses Unrecht tat,

Doch da haucht das Leben auch schon

Aus seinem gottverfluchten Körper aus und stirbt.

Und wie er tot am Boden liegt,

Steht sie nun auf und wird dem Schicksal wahr.

Das Blut aus ihrem Kopfe schwind´t,

Tod aus ihren weitgerissenen Augen spricht,

So holt die Ohnmacht sie nun ein.

 

Heinrich: Und der Mörder hat ihr nichts gesagt?

 

1. Wachmann: Nein, mein König.

 

Heinrich: (Eindringlich.)

Seid ihr euch sicher.

 

(Wachen schauen sich kurz an.)

 

1. Wachmann: (Nickt mit dem Kopf.)

Ja, ich glaube schon.

 

Heinrich: (Unruhig.)

Nicht glauben, seid ihr sicher?!

 

2. Wachmann: Ja, mein König.

 

Heinrich: (Hat sich wieder gefangen.)

Nun gut, laßt mich allein!

 

(Wachen ab, der Minister kommt herein.)

 

Minister: Ihr seht schwach aus, mein König.

 

Heinrich: Wen wundert´s.

Wie geht es ihr?

 

Minister: Ihr Herz geht ruhig,

Zwei Dienerinnen sind bei ihr und werden über sie wachen.

(Geht zum Fenster.)

Es ist mir unbegreiflich, wie konnte dieses nur gescheh´n?

Und warum?

Es war ein treuer Diener.

Wie konnte er dem Feinde nur einen solchen Dienst erweisen?

 

Heinrich: (Überlegend.)

Was meint ihr dazu?

 

Minister: Es ist schwer zu sagen,

Wenn er noch leben würde,

Die Henker hätten seine Zunge schon gelöst,

Doch so, bleibt vieles ungewiß.

 

Heinrich: Meint ihr, daß noch and´re Verräter

Hier in uns´ren Mauern stecken könnten?

 

Minister: Möglich ist es schon,

Doch wie soll man´s erfahren?

Von allein werden sie sich nicht erkennen geben.

 

Heinrich: Verstärkt die Wachen.

 

Minister: Mit Verlaub, mein König,

Das nötige, ich tat es schon.

 

Heinrich: Gut.

Und ist auf jeden einzelnen Verlaß?

 

Minister: Das will ich meinen,

Es sind die besten und die zuverlässigsten an Wachen,

Die wir in uns´ren Diensten haben.

 

Heinrich: Nun denn,

Dann will ich schlafen.

 

(Minister verbeugt sich und geht ab; Vorhang.)


Fünfte Szene

(Finsterer Thronsaal, Heinrich II. steht mit dem Minister am Fenster und schauen hinaus.)

 

Minister: Seit drei Tagen liegt sie schon,

Doch ist sie auf dem Weg der Besserung,

Gestern ist sie aus des tiefen Schlafs erwacht.

Hat sogar ein klein´ Leib Brot verlangt

Und auch nach Trank.

 

(Gehen gemeinsam zum Tisch, wo der Wein mit den Bechern steht.)

 

Heinrich: Ich hab´s gehört,

Eine der beiden Dienerinnen,

Die bei ihr wachen sagt´es mir.

Ich bin sehr froh,

Zumal die Wachen ihre Wirkung nicht verfehlten,

Nichts verdächtiges hat sich seit jener Tat getan.

 

(Minister gißt zwei Becher voll und reicht einen dem König.)

 

Minister: Doch noch ist jede Vorsicht stets geboten,

Sicher fühlen ist nicht angebracht, solch ein Leichtsinn,

Bracht´ schon manchen großen Heerscher schnell ins Grab.

 

Heinrich: Gewiß, gewiß.

Doch nun laßt uns einen Plane schmieden,

Mit wem wir uns verbünden wollen oder können,

Denn die Auswahl ist nicht sehr groß.

 

(Beide trinken die Becher in einem Zug leer, zur selben Zeit betritt Mathilde den Thronsaal, blaß aber stolz, König und Minister schauen sich verwundert an.)

 

Heinrich: Mathilde?

(Stellt den Becher auf den Tisch und geht auf sie zu.)

Wie geht es Euch?

Fühlt ihr euch wohl?

(Nimmt sie an den Händen.)

Ihr seid ganz kalt.

Ich lasse einen Mantel bringen.

 

Mathilde: Laßt nur mein König,

Es geht schon, was kann mir schon die Kälte haben,

Hab´ schließlich doch ein viel schlimmer Leid zu tragen.

Doch auch dies werd´ ich zu tragen wissen.

 

Minister: Welch königlich Gemüht,

So stolz und tapfer trägt sie ihre Last,

Wie es einer wahren Königin nur ziemt.

(Und stellt den Becher auf den Tisch.)

 

Mathilde: Sparet eure Lobesworte,

Sie mögen wohl gar nett gemeint,

Doch spenden sie mir nicht einen Funken Trost.

 

Heinrich: Dann sprecht,

Wie kann ich euren Schmerzen tief in eurem Herzen lindern,

Welch Trost lenkt euer Herz von all dem Schmerz,

Den ihr erlitten habt, in dieser Stunde ab?

 

Mathilde: (Lächelt bitter.)

Am Boden liegt mein Herz gebrochen.

Und was geschehen ist, kann nimmer mehr gewendet werden.

Dies Unrecht ist nicht umzukehren, und keine Kraft der Welt

Kann mir den Liebsten wiedergeben.

 

(Betretenes Schweigen, nach wenigen Sekunden, von draußen ertönt aufgeregtes Geschrei.)

 

Heinrich: Was ist das für ein Lärm?

(Zum Minister.)

Geht, und seht nach!

 

Minister: Jawohl, mein König.

 

(Minister geht ab; Mathilde geht zum Tisch wo der Wein steht, Heinrich schaut aus dem Fenster, woher der Lärm kommt, Mathilde steht mit dem Rücken zum Fenster und gibt ein paar Tropfen aus einer kleinen Flasche in den Weinkrug, gißt zwei Becher voll mit Wein, nimmt diese und geht zum König, der Lärm verstummt.)

 

Heinrich: Wer weiß, was das gewesen ist.

 

(Mathilde reicht ihm einen Becher, Heinrich nimmt ihn und beide trinken, Heinrich leert den Becher in einem Zug.)

 

Mathilde: (Schaut in den Becher.)

Der Minister sagte mir,

Der Mörder sei von Feindes Hand bestochen,

Daß er Verrat am Königreich für Gold getan.

Ich will es glauben, denn der Minister glaubt

Ganz fest und ehrenhaft daran.

Doch was glaubt ihr, Mein König?

 

Heinrich: (Betroffen.)

Ich weiß mir keinen Rat,

Auch ich muß dem Minister Glauben schenken.

Welch andere Erklärung könnt es sonst noch geben?

Mein Geist, er kann nichts sinnvoll finden,

Was diesen Mord erklären kann

Und muß den bitterschweren Schluß,

Auf den der Minister sogleich auch kam, vertrau´n.

Denn was läg´ näher als dieser Grund

Einen solchen Meuchelmord im Königshaus zu tun.

 

Mathilde: Doch warum er?

Ein Diener, der zu den Treusten zählte.

Und warum verlangte es nach meines Mannes Blut,

Und nicht nach eurem?

Wo ihr doch der König seid.

 

Heinrich: (Wird verlegen.)

Was weiß ich. Vielleicht ...

 

Mathilde: (Unterbricht ihn.)

Ich will´s euch sagen:

 

(Minister betritt den Saal, unbemerkt bleibt er im Hintergrund.)

 

Ihr selbst gabt den Befehl zum Mord.

Des Meuchlers letzter Atemzug verriet es mir,

Wahrscheinlich wollt´ er diese Last nicht auch noch auf sich nehmen,

Bevor er hinab ins Jenseits fuhr.

 

Heinrich: (Faßt sich mit der linken Hand an den Kopf, verzweifelnd.)

Also hat er doch gestanden,

All mein Hoffen war umsonst,

Überführt ist mein Verrat an deinem Manne,

Den ich gehaßt, sowie zuvor ich ihn geliebt.

Und nun greift sich mein Gewissen

Schwer beladen mit blut´ger Schuld

Die kümmerliche Seele,

Die in meinem Körper haust.

(Läßt den Becher fallen, fällt vor Mathilde auf die Knie und umschlingt ihre Füße.)

Verzeiht mir meine Schuld! Vergebt mir!

Ich bitte euch.

Ich fleh´ euch an!

 

(Mathilde bemerkt den Minister, der erschrocken über des Rätsels Lösung ist.)

 

Mathilde: Steht auf.

(Helft ihm auf.)

Ich verzeihe euch, doch vergeben kann nur Gott.

 

(Nun bemerkt auch Heinrich den Minister.)

 

Heinrich: (Faltet die Hände vor der Brust, zum Minister.)

Ich hatte keine Wahl.

Die Liebe, die uns einst verband

Schlug um und wurde Haß.

Er reizte mich und brachte mich in Raserei,

Doch dem nicht genug,

Vor aller Augen bot er mir die Stirn.

(Wieder zu Mathilde.)

Mein Anseh´n war durch ihn beschmutzt,

Die Autorität war nicht gewahrt,

Was sollt ich tun?!

Ihn als Sieger mit seinem Weib,

Mit euch Mathilde, ziehen lassen,

Und mich den Spöttern einfach überlassen?!

Das konnt´ ich nicht.

Ich durft´ es nicht.

(Heinrich beginnt zu schwanken, stützt sich am Tisch ab.)

 

Minister: (Zu Mathilde.)

Was ist mit ihm?

 

(Minister und Mathilde treten heran und stützen Heinrich, bringen ihn zum Thron.)

 

Mathilde: Er ist entkräftet,

Wen wundert es, nach dieser schweren Last,

Die er da tragen muß.

Doch bitt´ ich euch, laßt uns allein.

 

(Heinrich setzt sich ganz blaß in den Thron.)

 

Minister: So ist es euer Wunsch, ich geh´.

 

(Minister ab; Vorhang.)


Sechste Szene

(Heinrich II. sitzt angesträngt und kraftlos im Thron, Mathilde füllt zwei Becher mit Wein und geht mit diesen zu Heinrich, sie reicht ihm einen.)

 

Mathilde: Hier trinkt, das wird euch helfen.

 

(Heinrich trinkt langsam und auch nicht viel, auch Mathilde trinkt.)

 

Heinrich: Ich bin ganz schwach und wirr.

Alles schwankt und Nebel zieht in meinem Blicke auf,

Gedanken voller Schuld durchwehen meinen Kopf.

 

(Mathilde setzt sich links neben Heinrichs Füße, lehnt sich an diese und nimmt seine linke Hand.)

 

Ich seh´ Theresia vor mir steh´n, sie lächelt mir.

Ich glaub´, sie hat mir schon verzieh´n.

Denn ihr Tod war nicht gewollt,

Die Nachricht, daß auch sie gemordet sei,

Traf mich so unendlich tief, daß all die Schuld

Noch um so vieles gift´ger wurd´.

Sie war wie eine Mutter, voller Güte, ohne Zorn.

 

Mathilde: Das war sie.

 

(Kurzes Schweigen.)

 

Heinrich: Was wird mit mir gescheh´n?

 

Mathilde: Ich werde bei euch bleiben.

 

Heinrich: Was soll ich denn nur tun?

 

Mathilde: Wir gehen fort, weit fort.

Wo man auf uns schon warten wird.

 

Heinrich: (Trinkt.)

Wohin gehen wir? Und wann?

 

Mathilde: Wir sind schon unterwegs.

 

Heinrich: (Erleichtert.)

Jetzt versteh´ ich erst.

(Lächelt und trinkt den Becher leer.)

Im Wein ist Gift?

Wie klug von euch.

Doch warum habt ihr auch getrunken?

 

Mathilde: Was könnt´ mich hier noch halten?

 

Heinrich: Soviel hab´ ich euch genommen,

Soviel Leid hab´ ich getan?

(Tränen fließen über sein Gesicht.)

Und dennoch wollt ihr mich begleiten?

Ich schäme mich vor euch,

Das kann ich nicht ertragen.

Welch ein Unmensch bin ich nur gewesen,

Welch ein Unrecht hab´ ich getan?!

 

(Es wird alles dunkel; der Vorhang fällt.)

 

 

Auswahl

 

letzte Bearbeitung: 29.01.2012 Literatur Dramen Kontakt: Ray Helming