Die Verfluchten

Drittes Kapitel

Erste Szene

25. Jahr nach dem Fluch.

(Der junge König Heinrich II. und Fürst Gustaf von Neuburg allein im Thronsaal.)

 

Heinrich: (Überheblich.)

Es war meines Vaters Wunsch,

Daß ihr Fürst, meine ält´re Schwester

Mathilde zum Weibe nehmen sollt,

Seit Jahren schon.

Ich will, daß dieses auch,

Und schon bald, um genau zu sein,

Noch diesem Sommer, geschehen soll.

 

Gustaf: Euer Wunsch, mein König, soll gescheh´n.

Mich int´ressiert, ob auch Mathilde es so eilig hat.

 

Heinrich: Sie hat´s. Sie hat´s!

Seid gewiß und unbesorgt.

Sie liebt euch aus voller Brust, ich schwör´s.

 

Gustaf: Gut, dann hättet ihr auch nichts dagegen,

Wenn ich´s aus ihrem Munde hören dürft?

 

Heinrich: Nein, ganz und gar nicht. Ihr dürft -

Nein ihr sollt es aus ihrem Munde lauschen.

Ich will sie auch gleich kommen lassen.

(Brüllt.)

Diener!

 

(Tür öffnet sich und ein Diener springt herein, wirft sich dem König zu Füßen.)

 

Sagt der Prinzessin,

Daß sie sofort kommen soll!

 

(Diener springt auf, verschwindet durch die Tür, die sich wieder schließt.)

 

Na, was sagt ihr zu solche einem Gehorsam?!

 

Gustaf: Unterwürfig, würd ich sagen, voller Angst.

 

Heinrich: Und das mit gutem Grunde.

Denn nachdem mein Vater tot, und ich

Der neu König wurd´,

Ließ ich zwei von der großen Dienerschaft

Von Pferden in blut´ge Stücke reißen,

Weil sie mir nicht den nötigen Respekt

Und Hochachtung entgegenbringen wollten.

Seit diesem Zwischenfall, weiß ich nicht nur,

Daß ich der König bin, ich fühl´ es nun,

Da ein jeder mich auch so behandelt.

 

Gustaf: Doch habt ihr keine Angst,

Daß man euch, durch zuviel Furcht getrieben,

Aus dem Wege räumen könnt´?

 

Heinrich: Seid unbesorgt, meine Ohren und die Augen

Sind überall. Und ein jeder, der diesen Plane

Schmieden wollt´, wär´ im gleichen Atemzuge tot.

Mein Wort.

 

Gustaf: Ich glaube euch.

 

(Die Tür geht auf, und Mathilde kommt herein.)

 

Mathilde: Ihr ließt mich rufen, mein König?

Seid gegrüßt Fürst.

 

Heinrich: Nicht so schüchtern und betrübt,

Es ist ein schöner Tag, zumal

Wir die Hochzeit, zwischen euch, Mathilde,

Und dem Fürsten beschlossen haben.

Noch in diesem Sommer soll es sein.

 

Mathilde: Noch in diesem Sommer?

 

Heinrich: (Falsch.)

Ist´s euch zu früh, dann sprecht!

 

Mathilde: Nein, es ist mir recht.

Es ist nur, daß es so nah nach dem Tode

Uns´res Vaters ist. Was mich betrübt.

 

Heinrich: Pah!

Eben drum will ich ein freudi´es Fest hier feiern.

Schluß mit all den langgezog´nen Fratzen!

Lachen, nichts als Lachen will ich seh´n.

Wie ist´s mir übel, wenn ich durch die Hallen,

Gänge lauf´, seit Wochen hab´ ich weder Lachen

Seh´n noch hören können, ein Graus!

Und ihr Mathilde, lebt in eurem Kämmerlein,

Fernab von Glück und Freud`.

Nun, da ich der König bin, befehl´ ich euch

Hört auf damit!

Jetzt wird geheiratet, und ihr Fürst

Sorgt dafür, daß die Prinzessin glücklich wird.

 

Gustaf: Mein Wort geb´ ich dafür,

Daß ich mein Bestes geben werd´.

 

Heinrich: Das Allerbeste!

 

Gustaf: Das Allerbeste.

 

Mathilde: Darf ich mich wieder zurück...

 

Heinrich: Nichts da! Hiergeblieben!

Eure Zukunft ist´s, die wir bereden,

Also bleibt!

 

Mathilde: Jawohl.

 

(Vorhang.)

Zweite Szene


(Auf einem Waldweg fährt eine Kutsche, voll mit Reisenden; aus einem Gebüsch tritt ein Mann hervor, packt die Gäule am Zaum und hält den Wagen an.)

 

Kutscher: Aus dem Weg Kanaille!

Oder willst du meine Peitsche spüren?!

 

(Aus einem and´ren Gebüsch kommt Räuberhauptmann August hervor.)

 

August: Aber aber, guter Mann.

Wer wird denn gleich mit Schlägen droh´n?

Wißt ihr nicht, daß man sich lieben soll?

Erst neulich hat das ein Pfaff´ zu mir gesagt,

Auch er kam hier entlang, kurz über lang,

Seine Liebe durft´ er uns beweisen.

 

Bernhard: (Immer noch die Pferde haltend.)

In dem er uns den Wein,

Welchen er auf seinem Wagen fuhr,

Zum Geschenke machen durft´.

 

(Lautes Gelächter, weitere Räuber kommen hervor.)

 

August: (Zum Kutscher.)

Kommt, sagt uns

Welche Ladung ihr auf eurem Wagen fahrt!

Eure Haut, die ist euch sicher,

Also spielt hier nicht den Helden!

Wenn ihr uns helft,

Könnt ihr schon in Augenblicken weiterfahr´n.

 

Kutscher: Ehrenwerte Damen und auch Herren,

Fahre ich im Lande auf und ab.

 

August: (Fröhlich.)

Ehrenwerte?!

 

Bernhard: Das sind uns die Liebsten.

 

(Gelächter der Räuber, ein Reisender steckt den Kopf heraus.)

 

Reisender: Kutscher, was ist das für ein Krach,

Warum fahren wir nicht weiter?!

 

August: Geduldet euch mein Herr, die Fahrt

Wird augenblicklich fortgesetzt.

 

Reisender: Das will ich hoffen!

 

August: Nur ist die Kutsche

Auf diesem Boden viel zu schwer,

Drum wenn ihr erlaubt, daß ihr,

Mit allen die sich mit ihnen in der selbigen

Befinden, bequemen würdet herauszusteigen.

Dankbar wäre ich aus tiefstem Herzen.

 

Reisender: (Zum Kutscher.)

Wer ist diese Kanaille?!

 

August: Ein Mensch, der es gut mit Menschen meint,

Der sich um seiner Mitmenschen, mit größter Liebe

Und auch Güte, kümmert, wie es keinen zweiten gibt.

 

Reisender: Unerhört!

Kutscher, fahrt weiter!

 

August: (Zu den Übrigen, springt an die Kutschtür.)

Da seht ihr´s wieder, mit freundlich netten Worten

Kommt man bei diesen Menschen, die diese Art

Der Lebensfreude meiden, wie die Pest, nicht weit.

(Geht zum Kutscher.)

Nehmen wir den Kutscher, ein Mann von niedr´en Stand,

Er wußte unser freundlich´ Angebot zu schätzen,

Und fügte sich - brav.

Doch was soll´n wir mit diesen machen,

Die sich nicht bitten lassen wollen?!

 

Die Räuber: (Durcheinander.)

Töten, aufknüpfen, foltern, braten, kochen, zerhacken, würgen!

 

August: Nicht doch, nicht doch.

Uns´re Gäste müssen ja denken, daß wir eine Bande

Blutsüchtiger Bestien seien.

 

Thomas: Das sind wir doch auch.

 

(Gelächter der Räuber.)

 

Reisender: (Brüllt aus der Kutsche.)

Kutscher! Fahrt los!

 

Kutscher: (Einsichtig.)

Ich kann nicht.

 

August: Die Kutsche ist zu schwer.

 

(Gelächter der Räuber.)

 

August: (Reißt die Tür auf.)

Genug der freundlich` Worte, heraus mit euch!

Sonst schlitz´ ich einen nach der and´ren

Von unten bis zum Halse auf, daß ein roter See,

Hier an dieser Stelle nun entstehe.

Raus!

 

(Gelächter der Räuber, die Reisenden verlassen schnell die Kutsche, stellen sich im Halbkreis vor diese auf.)

 

August: (Zu den Räubern.)

Macht die ehrenwerten Menschen leichter,

Daß sie weiterfahren mögen,

Solch jammervoll` Gestalten,

Welch ein Ekel, welch ein Abschaum.

(Zum Kutscher.)

Eine widerliche Fracht fahrt ihr.

 

Kutscher: Ich muß nehmen, wer da kommt.

 

(Räuber nehmen den Reisenden die Habseligkeiten ab.)

 

August: Versteh´. Doch sagt mir,

Was gibt´s neues zu berichten.

 

Kutscher: Bald wird´s eine mächt´ge Hochzeit geben.

 

August: Eine Hochzeit?

Wann, wo, wer?

 

Kutscher: Noch in diesem Sommer,

Auf dem Königsschloß.

Fürst Neuburg wird die Prinzessin

Zu seinem Weibe nehmen.

 

Bernhard: Ein Fest, viele Gäste werden kommen,

Werden Geschenke bringen.

 

Siegfried: Und müssen durch unser´n Wald.

 

Thomas: Gold´ne Zeiten kann ich seh´n.

 

(Freude in allen Räubergesichtern.)

 

August: (Todernst.)

Blut´ge Zeiten werden´s sein.

 

Siegfried: Was ziehst du für ein Trauermund?

 

August: (Laut.)

Ich will´s euch sagen,

Die blut´gen Steuern werden röter,

Und mit noch erbarmungslos´ren Schwerte eingetrieben.

Die Bauern können nicht mehr schlafen,

Weil sie nur noch ackern geh´n,

Doch nun müssen sie sich teilen,

Um neu´re, höh´re Steuern zahl´n zu könn´n,

Damit der junge irre König Feste feiern kann,

Die ihm gefallen mögen - mir nicht!

(Zu den Reisenden.)

Steigt ein! Ihr Aasgesindel.

 

(Die Reisenden steigen wieder ein.)

 

Kutscher, laßt die Peitsche tanzen!

 

(Kutsche fährt von dannen.)

 

Bernhard: Meinst du wirklich, daß es soweit kommen wird?

 

August: Nein, ich bin mir sicher,

Daß es noch viel Viel weiter gehen wird, als du es dir je

In deinen schlimmsten Träumen vorgestellt.

 

Siegfried: Und wenn wir, die Gäste überfallen,

Die Beute unter´m Volk verteilen,

Daß sie´s als Steuern zahlen mögen.

 

August: (Traurig.)

Sicher, das wäre schön,

Doch versuch´ einmal

Gold, unter Leichen aufzuteilen!

 

Otto: Doch was woll´n wir tun?

 

August: Was soll´n wir - was können wir nur tun?

Ich weiß es nicht.

 

Götz: Und wenn alle die Bauern, die da sind,

Zusammen sich erheben, gemeinsam kämpfen,

Von uns geführt?

 

Daniel: Es sind Bauern - keine Krieger!

Könn´st genauso Schafe gegen Wölfe führ´n.

 

August: Nicht mal einig sind sie sich.

Ein jeder wird sein eigen Süppchen brauen wollen.

Sei´s, weil der eine Furcht vor´m König hat,

Der nächste sich mit diesem nicht versteht,

Ein and´rer wiederum, fürcht´ um sein Leben,

Ein ganz and´rer läßt sich vielleicht

Mit königlichem Gelde locken und so weiter.

Nein, glaub´ nicht, daß man sie einen könnt´!

Der Argwohn, Haß und Neid, den sie

Unter´nander schüren - hegen, ist gar zu groß.

 

Siegfried: Und wenn man sie besinnen mag?

 

Daniel: Du kannst sie nicht besinnen!

Sie sind wie´s Vieh, für das Joch gebor`n.

Schenk´ ihnen Freiheit!

Und sie werden sich ´nen neuen Herrn suchen.

Sie brauchen einen König, der sie beutet,

Glaube es mir.

 

August: Du hast ganz recht,

Auf die Bauern könn´n wir nicht zähl´n.

Auch seh´ ich keine and´ren,

Die sich mit uns vereinen könn.

 

Götz: Dann laßt uns warten,

Was die Zeit uns bringen wird!

Das Schicksal hat´s doch immer gut mit uns gemeint,

Warum sollte dieses Glück,

Grad´ zu dieser wicht´gen Schlacht,

Uns abhandengeh´n?! Nein, sag´ ich!

Verlassen wird´s uns nicht.

Und wenn der rechte Augenblick gekommen ist,

Werden wir ihn spüren und witzig handeln.

 

August: Recht hast du! Es sei.

 

(Vorhang.)

Dritte Szene

(Die Räuber sitzen in der Dunkelheit um ein Lagerfeuer, saufen, fressen und erzählen, alle schon leicht betrunken.)

 

Arne: Ich kann euch sagen, mit meiner Seele

Würd´ ich dieses Leben zahlen, daß es nie mehr anders

Sich in schlimmen Bahnen, mir erginge.

 

Bernhard: Du meinst,

Daß du lieber sterben woll´est,

Bevor du wieder als des Herren Ochs´

Vor dessen Pflug dich spannen ließest.

 

Arne: (Bekräftigend.)

Genau!

Mit meiner Seel`.

 

Götz: Seit wann hast du ´ne Seel`?!

 

Siegfried: (Frech.)

Doch, er hat sie schon,

Nur gehört sie ihm nicht mehr!

 

Arne: Nee?! Sag´, wem dann?

 

Siegfried: Ich denk´,

Dem Teufel hast du sie versprochen?

 

Thomas: (Lallend.)

Also dem König. Ich hab´s gewußt.

So ist er doch nur der Ochs´.

 

(Gelächter.)

 

Arne: Dem König - dem Teufel,

Dem Teufelskönig - Königsteufel?

Noch hat sie keiner, von den Beiden,

Noch ist sie nur versprochen,

Noch ist sie mein, aber aus diesem Leben

Werd´ ich nur noch geh´n, wenn ich zur Höll´

Hernieder fahren muß, und somit doch dem Teufel.

 

(Gelächter.)

 

August: (Dumm stellend.)

Dann sage mir, wo der Unterschied

Zwischen König und dem Teufel liegen soll!

 

Daniel: (Auch dumm stellend.)

Den kennst du nicht?

 

Arne: (Versucht ernst zu bleiben.)

Es gibt ihn nicht,

Außer, der eine ist aus Fleisch und Blut,

Tyrannisiert auf dieser Welt,

Der and´re ist aus ...

(Schaut sich ratlos um.)

Weiß nicht,

Doch lebt er drunten in der Höll´.

 

August: Woher weißt du das?

 

Arne: Was?

 

August: Daß der Teufel in der Hölle lebt.

 

Arne: (Zuckt die Schultern.)

Keine Ahnung?

 

August: Könnt´s nicht sein,

Daß der Teufel und der König doch der selbe ist?

 

Otto: Das glaub´ ich nicht.

 

Bernhard: Wieso?

 

Otto: Denn der Teufel holt verdorb´ne Seelen ein,

Sein Schaffen ist´s, daß er die Welt,

Von all den schlechten Menschen, reinigt.

Und der König ist ein schlechter Mensch.

 

Bernhard: (Entsetzt.)

Und der Teufel nicht?

 

Otto: Nein, der ist gut.

 

Arne: Aber der König ist doch kein schlechter Mensch.

 

Bernhard: Nein?

 

Arne: Nein!

Er ist das Böse in Person.

 

Siegfried: (Freudig.)

Dann ist er ja doch der Teufel.

 

Otto: Ist er nicht!

Der Teufel ist gut

Im Vergleich zum König.

 

August: Aber

Warum haben dann alle Angst vor´m Teufel,

Wenn er gutes tut?

 

Otto: Keiner hat Angst vor´m Teufel.

 

Siegfried: Ich schon.

 

Otto: Du hast ja auch jeden Grund dazu, Barbar.

(Aufgestanden, geht um´s Feuer.)

In Wirklichkeit bangen all die Menschen,

Daß der Teufel kommen könnt, um ihre

Bösgeword´nen Seelen, sich zu holen,

Weil sie wissen, daß sie böse sind.

Nie hab´ ich einen guten Menschen geseh´n,

Der Angst vor´m Höllenfürsten hätt´.

(Setzt sich wieder.)

 

Siegfried: (Neckisch.)

Willst du damit sagen,

Daß all die Mönche, unter denen August

Und ich gewachsen sind, böse seien,

Weil sie Gott verehren und den Teufel fürchten?

 

Otto: (Schaut überrascht.)

Nein!

 

August: (Losbrüllend.)

Kannst du aber, denn du hättest recht.

 

(Gelächter.)

 

August: (Immer noch lachend.)

All die guten Mönche, die ich kannte,

Hatten keine Furcht vor´m Höllengott.

 

Götz: Weil sie wußten,

Daß es nicht viel schlimmer kommen könnte,

Als hier auf Erden vor sich geht?

Schlaue Menschen, diese Mönche!

 

Arne: Und was ist mit mir?

 

Daniel: Du bist kein Mönch, also nur ein Ochs´.

 

(Gelächter.)

 

Bernhard: Wieso?

 

Daniel: Wieso er ein Ochs´ ist?

 

Bernhard: Nein, was mit ihm sei?

 

Arne: Böse bin ich, das ist gewiß,

Doch fürcht ich nicht den Teufel.

 

August: (Stellt sich nachdenklich.)

Dann gibst du uns ein schweres Rätsel,

Welches wir gern lösen wollen, auf.

 

Götz: Vielleicht ist er ein teuflisch Ochs´,

Und wir haben´s nur noch nicht bemerkt?!

 

(Gelächter.)

 

Schnauft er, wenn er schläft, doch wie ein Ochs´,

Auch sagt mir meine all zu feine Nase,

Daß hier am Feuer, mitten unter uns

Ein stinkend Viech doch sitzen muß!

 

(Gelächter.)

 

Arne: Den Mief

(Nase in die Höhe richtend.)

Riech´ ich auch, nur dacht ich,

Daß er von deinen Lumpen stammt,

Wo die Läus´ zu feiern wissen.

 

Götz: Läusen kannst mich, wenn´s dich stört!

 

Arne: Deine Tierchen stör´n mich nicht,

Der Stunk aus deinen Kleidern ist´s.

 

Siegfried: (Steht auf, wie ein Marktschreier.)

Kommt her ihr Leut´, hört und seht,

Wie Schwein und Ochs´ sich zanken,

Wer von ihnen hier das stinkenst´ Vieh doch sei!

 

(Gelächter.)

 

Thomas: Ich hab´s.

 

Bernhard: Was?

 

Thomas: Des Rätsels Lösung,

Arne ist kein Ochs´.

 

Bernhard: Dann sprich du Narr!

 

Thomas: (Steht auf, starrt in´s Feuer, fuchtelt mit den Armen rum.)

Im tiefsten Inner´n seiner Brust,

Das Blut von bösen Vätern fließt.

Die Angst vor Gott und Teufel längst versiegt,

Was bleibt ist Abschaum pur,

Er muß, ich kann nicht anders schließen,

Mit dem König eng verwand gar sein.

 

Arne: (Springt auf ihn zu.)

Nimm´s zurück, dies schrecken Wort.

Das kann nicht die Wahrheit sein!

 

(Alle Lachen.)

 

Siegfried: (Springt auf.)

Ein feindlich´ Verräter in uns´ren Reih´n!

 

Arne: (Fällt auf die Knie.)

Oh, ich bitte euch, habt Erbarmen

Mit einem armen Frauenschänder,

Der immer nur von denen raubte,

Die gar nichts zu rauben hatten,

Der immer nur die hinstreckte,

Die schon lang´ nicht mehr von selber gingen.

 

August: (Stellt sich vor ihm auf.)

So? - Ein Mann nach mei´m Geschmack,

Ein solcher Mann wie dich, der fehlt uns noch.

So bist du hiermit, als königlicher Schlächter aufgenommen.

 

(Jubel, Vorhang.)

Vierte Szene

(Kutsche von vier reitenden Soldaten umgeben, hält vor einem gefälltem Baum, der im Weg liegt, im Wald; die vorderen zwei Soldaten versuchen das Hindernis zu räumen, ohne Erfolg, die anderen kommen zur Hilfe.)

(August tritt auf.)

 

August: Er ist euch wohl zu schwer geraten,

Ja so ein Baum ist nicht so leicht -

Aus dem Weg zu räumen, wie das Bauernvolk.

 

(Die Soldaten wollen zu den Schwertern greifen, da kommen die übrigen Räuber aus dem Versteck hervor.)

 

Siegfried: Zu viert gegen einen wollt ihr kämpfen?!

Schön, wenn ihr´s feige mögt,

Und die Ungerechtigkeit zu schätzen wißt,

So soll´s nach eu´rem Wunsche geh´n,

Doch da wir Mitleid mit euch haben,

Brauch ein jeder von euch Schurken

Nur gegen zwei von uns zu streiten!

Obwohl ich´s ...

 

(Siegfried geht gegen sie vor, Thomas nimmt derweil auf dem Kutschbock Platz, mit gezogenem Dolch.)

 

Siegfried: (Kämpfend.)

Mit euch Vieren ganz allein zu schlagen weiß!

 

(Siegfried streckt, wie ein Blitz, einen nach dem anderen nieder.)

 

Siegfried: (Stolz.)

Na August,

Hätt´st sie auch so flink gestreckt?!

 

August: (Gelassen.)

Nein, so schnell nicht!

Sicher, ich würd´ steh´n und sie da liegen,

Doch hätt´ ich mir den Spaß etwas dauern lassen,

Mit Hochgenuß geschlagen, nicht wie du,

Wie der Pfaff´, der das Weib vom Schmied besteigt,

In Haßt vor Furcht, daß der Schmied

Augenblicklich kommen könnt.

 

(Gelächter.)

 

Götz: Doch den Spaß hat auch der Pfaff´,

Wenn er dem Schmied Gehörn verpaßt,

Und weil er die Leibeslust gestillt,

Vielleicht nur kurz, doch dafür wild.

 

Daniel: Dann kann´s nicht das Weib

Vom hiesi´en Schmiede sein, die kenn´ ich wohl.

Hab´s selbst einstmals bei ihr versucht.

In ihrer Brust fehlt jeglich´ Lust,

Bei der dem Hurenbock wie auch dem Pfaff´,

Der Schwanz ganz jammervoll versagt,

Und was da bleibt ist nur der Frust.

 

Bernhard: Ich kenn das Weib nun nicht,

Doch hat bei mir bis heut´ ein jedes Weib

Vor Lust und Leidenschaft geschrien.

Jedoch siehst du mir nicht nach wilder Liebe aus.

 

(Gelächter.)

 

August: Mir ist´s gleich,

Drum laßt uns schau´n,

Für welchen Schatz wir uns gehau´n.

 

(Reißt die Kutschtür auf, schaut hinein, schließt die Tür und lehnt sich mit dem Rücken gegen.)

 

Siegfried: Was ist´s?!

 

Otto: Nun sprich! Ist´s der Leibhaft´ge selbst?

 

Arne: Verrat´ uns unser Glück!

 

August: (Beginnt laut zu lachen.)

Ein solches Bild, ich hab´s noch nie geseh´n!

Drei Götzenbilder, starr vor Furcht ins Eck gedrängt,

Seh´n edel aus, als wollten sie zum Mummenschanz.

 

Arne: (Schiebt August beiseite.)

Laß mich´s seh´n!

 

Alle: Ich auch!

 

(Alle drängen ihren Kopf zu Tür, Gelächter.

Thomas noch immer neben dem Kutscher, stößt diesen vom Bock und springt ihm nach.)

 

Thomas: (Zum Kutscher.)

Wegen dir kann ich´s nicht schau´n!

Was soll´s. August darf ich ihn verhau´n?

 

August: Halt ein mein Freund!

Er ist nur ein armer Schuft.

 

Thomas: Dem´s besser als den Bauern geht.

 

August: (Tritt näher zu den beiden.)

Das mag schon sein, aber trotzdem,

Wir woll´n ihn sanft zur Ruhe betten.

(Nickt Thomas zu.)

 

(Thomas schlägt den Kutscher mit einem Hieb zu Boden, wo er bewußtlos liegen bleibt, und schwingt sich wieder auf den Bock.)

 

Siegfried: Und was wird mit dies´m Traumendeuter?

(Zeigt auf den Kutscher.)

Soll er hier so liegen bleiben?

 

Bernhard: Bind´ ihn doch auf´s Pferd

Und laß ihn dann ein reitend Träumer sein.

 

August: Welch wundervoller Witz,

Es sei!

 

(Siegfried mit dem Kutscher über den Schultern ab.)

 

Otto, hol´ die Fratzen raus!

Woll´n seh´n, was sie zu biet´n haben.

 

(Unter Weibergeschrei kommen Hermann, Mathilde und Theresia zum Vorschein.)

 

Bernhard: (Will nach Mathilde grapschen.)

Welch süßes Täubchen seh´ ich mich locken.

 

(Bernhard bekommt von Theresia eine schallende Ohrfeige, muß nach hinten weichen, um nicht zu stürzen, Gelächter der Räuber.)

 

Theresia: Nimm die Finger von meinem Täubchen,

Willst sie haben?!

So mußt du erst an mir vorbei!

 

Bernhard: (Erschrocken, dann lachend.)

Diesem Drachen werd´ ich nicht als Futter dienen,

Da hol´ ich des Schmiedens Weib mir lieber!

 

(Gelächter der Räuber.)

 

Otto: (Stellt sich vor Hermann.)

Nun zu dir, du edel Wurm!

 

Hermann: (Fällt auf die Knie.)

Tötet mich nicht, ihr Herr´n!

Erbarmet euch vor dieser unschuld´gen Seel´!

 

Arne: Hört hört!

Herr´n vernahm ich´s aus dem Munde?

Giftig ist das Wort, was du versprühst!

Wenn die Lage anders läg´, mit einem Tritt

Von dir, würd´ ich zur Hölle fahren dürfen.

(Hält ihm den Dolch an die Kehle.)

Sprich, welchen Schatz habt ihr geladen!

Nennt mir eure Namen, von wo ihr kommt,

Wohin ihr wollt!

Sonst trenn´ ich deinen Kopf vom Leibe ab,

Daß du Futter für die Würmer bist!

 

(Hermann winselt vor sich hin.)

 

Otto: Nun schau sich einer dieses Schwein doch an!

Die Angst ließ ihn zur Hose fahr´n.

Will edel sein, doch vom ed´len Tode keine Spur.

 

(Gelächter der Räuber.)

 

Arne: Noch immer hab´ ich nichts gehört!

 

Hermann: Hermann ist mein Name, meine Herr´n,

Bin der Engvertraute Heinrichs II., unser´m Herrn.

 

Otto: Dein Herr mag er sein, meiner ist er nicht!

 

Hermann: Und dies ist sein Schwester nebst Amme.

 

August: (Erschrocken.)

Was sagst du da,

Sie ist des Königs Schwester?

 

(Räuber schauen sich staunend an.)

 

Hermann: Ja, Mathilde, des Königs Schwester.

 

Theresia: (Ermutigt.)

Der Fang ist euch wohl zu groß geraten!

Nun schlackern euch die Knie!

Wenn ihr uns ziehen laßt,

Werden wir den König bitten, daß er euch am Leben läßt.

 

August: (Belustigt.)

Das Weib hat Mut!

Mit dem Schwerte an dem Halse,

Will sie uns Gnade bieten!

(Fällt auf die Knie.)

Ich danke dir, du gnädig Weib!

 

(Lautes Gelächter der Räuber, er erhebt sich.)

 

Wenn´s so ist, woll´n wir es wagen!

Das ist das Zeichen, auf das wir hofften!

Nun ist es da, drum laßt uns nun den Kampfe wagen!

 

Alle Räuber: Ja!

 

August: Bindet diesen vollgeschiss´nen Hurensohn

Ohne Kleider auf ein Pferd, wie einen Sack!

Und setzt ihm seinen Haufen obendrauf!

Damit ein jeder sehen kann,

Daß auch Scheiße reiten kann!

Bei dieser Hitze, wird man ihn

Schon von der Ferne riechen können, daß er kommt.

 

(Siegfried kommt allein zurück.)

 

Theresia: Barbaren seid ihr alle samt!

Mit eurem Leben werdet ihr´s bezahlen.

 

Arne: Dieser Preis soll recht mir sein.

 

Otto: Auch ist dieser Preis gerecht.

Denn Freiheit kann man nur mit Leben zahl´n.

 

(Arne und Otto führen Hermann ab.)

 

Siegfried: (Zu Theresia.)

Ihr seht,

Daß man uns nicht bekehren kann,

Ihr kommt zu spät,

Wir sind schon frei und nicht bereit

Zu euer Gunsten Joch zu schleppen, wie die Bauern.

Nein, wir kämpfen bis wir siegen oder sterben,

Doch eines ist gewiß, daß der Sieg die Freiheit ist.

Und da wir schon frei im Leben sind,

Der Sieg schon unser ist.

 

August: Genug der Worte, laßt uns geh´n!

 

(Vorhang.)

 

Fünfte Szene

(Mathilde sitzt mit ihrer Amme an einem Waldbach von Otto und Thomas bewacht, die etwas entfernt sitzen.)

 

Theresia: (Besorgt.)

Was werden diese Schurken mit uns machen?

 

Mathilde: Das weiß Gott allein.

Vielleicht ein Lösegeld erpressen?

 

Theresia: Und bis die Zeit gekommen ist,

Was wird mit uns gescheh´n?

Wie werden sie uns hegen?

Wenn der rohe Trieb über sie herniederfährt?

Was dann, Mathild´?

 

Mathilde: (Nervös.)

Sorg´ dich nicht!

Das würden sie nie wagen,

Haben´s doch bis jetzt noch nicht getan.

 

Theresia: (Belehrend.)

Ganz recht, bis jetzt,

Doch diese Mörder sind von Sinnen,

Wer würd´s sonst auch wagen,

Des Königs Schwester

Unter Fesseln fortzuführen - kein heller Geist!

Ach mein liebes Kind, keinen Schimmer hast du,

Wie schlimm doch diese Männer sind!

Wie reissend Wölfe fallen über Frau´n sie her,

Wenn sie im Überfluß den rauschend Wein genossen,

Sind freigelegt die widerwert´gen Triebe,

Je´glich´ Anstand hoffnungslos verloschen,

Und sind dann keine Menschen, nur noch Tiere.

Dann gibt es gegen diese Teufel keine Wehr.

 

Mathilde: (Verärgert.)

Sprich nicht so!

Ich habe Angst, die stetig größer wird.

Bei Gott, willst du mir den letzten Willen rauben,

Daß ich den Tag der Freiheit nimmer wiederseh´?

Diese Angst, tief in meinem Busen,

Wächst, und wächst, und wächst, genährt

Von deinem Jammern, deinem Klagen,

Kann mich nicht dagegen wehren, so fleh´ ich dich:

Hör´ auf!

Wenn Gott uns liebt, ein Weg wird er uns zeigen,

Der hinaus zur Freiheit führt.

Daran glaub´ ich fest.

Und du solltest´s eben so!

 

Theresia: Es tut mir leid, Mathilde.

Du hast ja recht,

Doch gegen meine Furcht

Kann ich nichts machen.

 

Mathilde: Bekämpfe sie!

 

Theresia: Bekämpfen?!

Bedenk´, ich bin kein Krieger!

 

Mathilde: (Versöhnend.)

Zeit wird´s, daß du einer wirst!

 

Theresia: (Lustig.)

In meinem Alter Amazone werden?!

Ich bitte dich!

Welch närrische Idee.

 

Mathilde: Willst du mich als Närrin schimpfen?!

Wenn´s so ist, dann ford´re ich dich zum Kampf!

 

Theresia: Spar´ dir deine Krall´n,

In der Ehe wirst du sie nöt´ger haben!

 

Mathilde: Woher willst denn du dies wissen?

Keinen Mann hast du besessen und wenn doch

Will ich dich bei den Pfaffen schwärzen!

 

Theresia: (Verlegen.)

Gehört hab´ ich´s.

Keinen Schritt laß ich ´nen Mann an meine Haut,

Bin doch keine Hure, die sich verkauft.

 

Mathilde: (Ungläubig.)

Nur vom Hörensagen?

Du wirst ganz rot.

Aus den Augen kommt die Lüge,

(Springt auf.)

Will sie packen, will sie halten ...

 

Otto: Was ist da los!?

 

Theresia: Setz´ dich schnell, verhalt´ dich ruhig.

 

Mathilde: Hab´ keine Angst!

Sie glotzen bloß.

Komm´, erzähl´ mir von den Männer!

Du hast doch sicher viel erlebt,

Und komm´ mir nicht mit dieser Lüge,

Der du selber gar nicht glaubst.

 

(Vorhang.)


Sechste Szene

(König Heinrich II., Fürst Neuburg und Bischof Zacharias speisen an einer Tafel.)

 

Heinrich: (Mit vollem Mund.)

Und ihr meint, daß es euch gelingen wird,

Was meine Soldaten nicht vermochten?

Was wollt ihr anders machen?

 

Gustaf: Ich will mit zwei Dutzend,

Von den besten Männern zieh´n,

Die ich persönlich wählen werd´.

Und wenn wir durch die Wälder suchend streifen,

Fallen wir nicht auf, wie ein großes Heer,

Auf daß wir, wenn wir erst den Feind erspäht,

Aus dem Hinterhalt ihn schlagen werden,

Ihn mit seinen Waffen schlagen.

 

Zacharias: Mut habt ihr, Fürst,

Und euer Plan klingt recht gut,

Als könnte er gelingen, wenn Gott will.

 

Gustaf: Er wird es wollen, euer Ehren.

Und wenn ihr für mich betet,

Wem würde Gott den Sieg dann schenken,

Dem, für den ein Hirte hat gebeten,

Oder dem, der sich schmückt mit Blasphemie.

 

Zacharias: Ihr habt ganz recht,

Ich werde für euch beten.

Auf daß die Schurken Gottes Strafe spüren sollen.

 

Heinrich: Fürst, mir ist´s gleich,

Wie ihr sie schafft, doch lebend will ich nur

Mathilde seh´n, nebst Amme, die auch die Meine war.

Dem Tod geweiht ist diese Brut doch eh´,

Ob sie nun im Kampf ihr Leben läßt,

Oder auf dem Rade, ist mir gleich.

Ihre Köpfe will ich haben!

Will sie überm Tore spießen lassen.

Auf daß sie jedem, der die Burg betritt,

In´s Auge springen sollen.

 

Zacharias: Ein Mittel, daß noch nie versagt,

Nicht sehr schön, doch wirkungsvoll,

Unser Herrgott weiß es wohl.

 

(Gustaf beendet sein Essen.)

 

Heinrich: Was habt ihr Fürst?!

Ist euch der Appetit vergang´?

 

Gustaf: Nein, nein!

Ich bin schon satt.

(Und rülpst.)

Ich hab´ schon schlimmeres geseh´n,

Als dies, was ihr euch wünscht.

Mein einzig Wunsch ist die Befreiung,

Alles and´re seh´ ich nicht, nur Mathilde

Und wenn ihr´s wünscht, dann auch die Amme,

Was mit dem Haufen Räubern wird,

Liegt nicht in meinem Sinne.

 

Zacharias: Das sollte´s aber!

Denn wenn dieses Beispiel sich herumgesprochen,

Wie ein Feuer, daß man ungestraft

Als Wegelagerer die Reisenden

Berauben und auch morden darf,

Wer soll in Frieden dann noch reisen können?

 

Heinrich: Recht habt ihr!

(Mit steigender Leidenschaft.)

Was wär ich für ein König doch,

Wenn ich der Räuber nicht mal Herr

In meinem Lande werden könnt´.

Mein eigen Volk könnt´ wohlmöglich höhnisch

Über meine Herrschaft lachen.

Die Nachbarn wären grade zu geladen,

Mir mein Land zu rauben, denn wenn ich nicht

Mit winz´ger Räuberbrut verfahren kann,

Erst recht ich nicht mein Reich

Gegen ihren Ansturm schützen zu vermag.

Glauben doch, ich sei zu jung und unerfahr´n.

 

(Kurze Stille.)

 

Zacharias: (Rülpst genüßlich.)

Ein vorzüglich Mahl, hab´ schon lang nicht mehr

So königlich gespeist, wie hier und heut´.

 

Heinrich: Das wundert mich, so gut genährt ihr schaut,

Hab´ ich noch nie zuvor ein Mann geseh´n.

(Lacht.)

Wollt ihr vielleicht noch von diesem

Köstlich rotem Weine trinken?

Aus einem fernem Lande, wo die Sonne

Das ganze Jahr dort scheint, soll er sein.

Den Namen hab´ ich allerdings vergessen,

Jedoch ändert´s an seinem Geschmack ja nichts.

(Zu Gustaf.)

Nicht wahr?!

 

Gustaf: Gewiß!

Des Gaumens Hochgenuß ist´s zum Ziele,

Nicht der Ort und nicht ein Name kann ihn locken.

Also, auf euer Wohl, mein König!

 

(Alle trinken.)

 

Zacharias: Wann wollt ihr los?

 

Gustaf: Noch heut´!

Genügend Zeit ist nun verstrichen, wo nichts geschah,

Nun zählt Mut und Kampfeswille, und kein Geschwätz.

 

Zacharias: An der Königsseite werd´ ich warten,

Bis ihr heim mit eurer Braut zurückgekehrt,

Auf das ich euch hocherfreut

Höchstpersönlich trauen kann, mein Sohn.

 

Gustaf: Ich danke euch, mein Vater.

Euer Majestät, wenn ihr erlaubt,

Dann würd´ ich mich nun schnell entfernen,

Desto schneller kann ich siegreich wiederkehren.

 

Heinrich: Nur zu, mein Fürst,

Schließlich ist es eure Braut

Und meine Schwester,

Die es zu befreien gilt.

 

(Gustaf ab.)

 

Zacharias: Ein guter Mann.

 

Heinrich: Ein sehr guter Mann!

Und ich bin froh, ihn zum Verbündeten zu haben.

Erstrecht, da ich noch keinem hier,

Und anderswo vertrauen kann.

Die meinem Vater treu Gedienten,

Ich trau´ ihnen nicht, genauso auch

Dem Frieden an den Grenzen.

(Steht auf, erregt.)

Ich spüre es, ein großes Unheil droht

Gar fürchterlich seit langem schon,

Und kann es nicht erkennen,

Und erst recht auch nicht verbannen.

Was soll ich tun?!

Bin ich nicht König, rechtmäßig seit Geburt?!

Der sein Land verteid´gen und beschützen muß?!

Wenn ich es nicht vermag,

Wer soll es sonst?!

 

(Vorhang.)


Siebente Szene

(Mathilde sitzt im Gras und flicht Blumen, von Götz bewacht, August kommt mit zwei Schalen.)

 

August: (Zu Götz.)

Geh´ ruhig essen, es schmeckt sehr gut,

Ich bleibe für dich hier.

 

(Götz ab; August stellt eine Schale vor Mathilde nieder, höflich, fast schüchtern.)

 

Darf ich mich zu euch herniedersetzen?

 

Mathilde: (Schnippisch.)

Das Sagen hier habt ihr, nicht ich.

 

(August verdutzt, beide schweigen, er will gehen, doch bleibt und setzt sich schließlich einen Schritt neben Mathilde, ein Schweigen folgt bis August es bricht.)

 

August: Ich bin im Kloster aufgewachsen.

Meine Eltern hab´ ich nie gekannt,

Nicht einmal gewußt,

Daß ich je welche hätt´ gehabt.

Auch Siegfried ging es so,

Da wuchsen wir in Gottes Schoß.

Die Mönche lehrten uns gar viele Dinge,

Sie wollten, daß wir wie sie,

Als Mönche in dem Kloster leben blieben.

Doch die Welt, das Leben war uns unbekannt

Nur von Büchern und vom Reden

Wußten wir, daß es dies gibt.

So trieb uns uns´re Neugier fort,

Als wir es nicht mehr zügeln konnten,

Den Drang die Welt mit eig´nen Augen seh´n.

Da zogen wir umher, und bald trieb uns der Hunger,

In ein Dorf, wo wir bei Bauern Zuflucht fanden.

Sie selber hatten nicht genug zu essen,

Doch teilten sie´s, so wie´s geschrieben steht.

Nur bei ihnen bleiben ginge nicht,

So sagten sie, weil´s nicht genügend Arbeit gab.

 

(Mathilde lauscht mittlerweile gespannt und hat sich leicht herumgedreht.)

 

Von Dorf zu Dorf, so zogen wir.

Und irgendwann, die erste Stadt,

Von hohen Mauern eingepfercht.

Es war als träumten wir,

Wie wir hineingegangen sind.

Doch bald darauf kam das Erwachen.

Auf dem Marktplatz hing ein Käfig,

An einem Galgen, in der Luft.

Ich dachte erst, die armen Tiere,

Die dort in ihm verhungert lagen.

Wir gingen näher, um zu schau´n.

Ein kalter Hauch von Tod,

Ließ mich erstarr´n und Siegfried ebenso.

Es waren keine Tiere,

Menschen war´n´s!

Die wir so tot erblickten.

Wir fragten uns nach Sinn der Grausamkeit

Und eine Frau, sie sagte´s uns,

Daß dies ein Bauer mit seinem Weibe war,

Die Steuern wollten sie nicht zahlen.

Von anderen erfuhren wir, sie konnten´s nicht.

Da ließ der König sie verhungern.

Das Beispiel sollte alle mahnen

Ihre Steuern zu bezahlen.

Auf schnellen Füßen gingen wir

In Richtung unbekannt.

Nur weg von diesem Ort.

 

Mathilde: (Vorsichtig.)

Von welchem König sprecht ihr da?

 

August: Von König Karl I.,

Der euer Vater war.

 

Mathilde: (Erschrocken.)

Das ist nicht war!

 

August: (Bleibt ganz ruhig.)

Ich brauche nicht zu lügen.

Er war´s.

Und irgendwann da trafen wir die Bande,

Sie wollten uns berauben,

Wir, die eh nichts hatten

Als das Leben, so schlossen wir uns an.

Nach zwei Jahren wurde klar,

Daß ich ihr neuer Führer war.

Denn der alte war gestorben.

Es ist ein schönes Leben,

Wir rauben, doch töten nur,

Wenn wir es müssen, und dies nicht oft.

Und Einer, der nichts hat,

Der hat auch nichts zu fürchten.

 

Mathilde: (Neugierig.)

Habt ihr nie den Wunsch gespürt

Zurück in´s Kloster geh´n zu woll´n?

Ein Räuberdasein kann doch nicht schöner sein,

Als Gott zu lieben und zu dienen.

 

August: Es ist ein komisch Ding,

Wie soll ich´s sagen?

Hier bin ich Mensch, hier bin ich frei

Und diene nur mir selbst.

Ich könnte nie zurück in´s Kloster geh´n,

Viel zu viel von Greuel und Elend

Habe ich geseh´n, daß ich nicht sicher bin,

Ob Gott noch lebt.

Selbst wenn er wirklich heut´ noch leben würde,

Würd´ ich ihn hassen müssen und nimmer dienen,

Weil er dann das Unrecht kürt

Und nicht die wahrhaft Rechten.

 

(Ein Eichelhäher beginnt zu schimpfen.)

 

August: (Springt auf, nimmt Mathilde an die Hand.)

Kommt, beeilt euch, wir müssen zu den andern!

 

Mathilde: Was ist?

 

August: Ich weiß es nicht, wir werden seh´n.

 

(Pferde sind zu hören, wie sie näher galoppieren, Mathilde und August ab, Schreie ertönen; Vorhang.)


Achte Szene

(König Heinrich II. und Zacharias sich auf Stühlen gegenüber sitzend und trinken Wein, in einem Saal, Diener kommt herein.)

 

Diener: Euer Hoheit,

Fürst Neuburg.

 

(Hält die Tür auf, Gustaf kommt, Diener ab.)

 

Heinrich: Fürst, ihr seid zurück!

Wie geht es euch, und hattet ihr Erfolg?

 

Gustaf: Das will ich meinen.

Mathilde und auch die Amme sind wohlauf,

Und fünf der Männer, die mit mir ritten.

 

Zacharias: Und die Schurken?

 

Gustaf: Bis auf einen, alle tot.

 

Heinrich: Was ist mit diesem?

Entkam er euch?

 

Gustaf: Nicht die Spur, in Fesseln liegt er,

Wie wir ihn hierher gebracht.

 

Heinrich: Wo sind die Frauen nun?

 

Gustaf: In den Gemächern,

Das Abenteuer hat sie erschöpft.

 

Heinrich: Ich versteh´.

Nun denn, erzählt, wie es euch erging.

 

(Gustaf nimmt sich einen Becher gießt sich ein und den anderen beiden nach.)

 

Gustaf: Es war, wie ich´s erwartete.

(Leert den Becher mit einem Zug und gießt sich nach.)

Schon nach kurzer Zeit fanden wir

Erst die Spur und dann ihr Lager.

Umkreisten es ganz unbemerkt,

Um dann von allen Seiten

Aus dem Hinterhalt zu kommen.

Doch die Vogelfreien, allzugut

Verstanden sie´s zu kämpfen.

Neunzehn Männer haben sie gestreckt,

Und waren selbst nur acht.

Die Frauen, nicht gebunden waren sie,

Kamen gleich gerannt, in Sicherheit.

 

Zacharias: Nicht gebunden?

Wie soll ich das versteh´n?

Warum versuchten sie nicht eher zu flieh´n?

 

Heinrich: Wie stellt ihr´s euch vor?!

Frauen sind´s und keine Männer,

Wissen nicht wohin sie flieh´n sollten.

Das wußten diese Schurken sicherlich,

Zumal sie, bei einer Flucht,

Schon kurz darauf gefaßt den Meuchlern

Wieder in den Händen säßen.

 

Zacharias: Sicher, ihr habt recht,

Ich war blind, dieses nicht zu seh´n.

Entschuldigt Fürst,

Daß ich euer Reden unterbrach.

 

Gustaf: Es wütete ein schlimm Gemetzel,

Doch schließlich gelang es uns,

Den Sieg davon zu tragen.

 

Heinrich: Was ist mit ihrem Führer?

 

(Heinrich hält Gustaf seinen leeren Becher zum Füllen hin, Gustaf schenkt allen nach.)

 

Gustaf: Er starb

Durch meinen Streich in seine Brust.

Und war kaum älter als ich es bin.

 

Zacharias: Wie habt ihr den Gefang´nen binden können?

 

Gustaf: Ein Schwert, es bohrte sich in seinen Arm,

Ein anderes in seinen Fuß, so daß er ohne Müh´

Von den Unseren gefesselt und geschlagen wurd´.

 

Zacharias: Welch ein Glück für uns,

Daß ihr siegreich ward,

Nicht auszudenken, was geschehen wär,

Wenn ihr erfolglos gar zurückgekehrt.

 

Gustaf: Ich bin es nicht!

 

Heinrich: Ich habe keinen Augenblick gezweifelt.

 

Zacharias: Ich auch!

 

Gustaf: Eben klang´s noch nicht ganz so.

 

Heinrich: Was soll´s,

Mathilde ist zum Glück wohlauf,

So daß die lang ersehnte Hochzeit

In zwei Tagen seien wird.

Und zur hohen Feier werde ich

Ein Schauspiel geben lassen,

Als Abschreckung,

Denn das Volk soll seh´n,

Was den Vogelfreien gart

Und jenen die es werden,

Wenn wir diese,

Wo kein Zweifel -

Nicht ein einzigster sich halten darf,

In uns´re Fänge kriegen.

Der Kopf des Schurken, er soll rollen,

Auf dem Markte, wo das ganze Volk

Versammelt stehen und es sehen soll.

Auch das Volk will unterhalten werden,

Am besten geht´s mit Blut,

So lange´s nicht das eig´ne ist.

Auf diesem Wege schlag´ ich Zwei mit einem Streich.

 

Zacharias: Ich muß sagen, euer Hoheit,

Daß ihr mich an euren Vater sehr erinnert.

 

Heinrich: Ich nehm´s als Kompliment.

 

Gustaf: Mein König, ihr erlaubt,

Wenn ich mich nun entferne?

 

Heinrich: Nur zu, mein Freund.

 

(Gustaf ab.)

 

Heinrich: Was glaubt ihr,

Wird er mir ein treuer Untertan und Vetter sein,

Auf den ich immer zählen kann,

Der Geleit in jeden Krieg mir geben und

Gegen jeden Feind zur Seite stehen wird?

 

Zacharias: Was fragt ihr mich?!

Ist er nicht jetzt schon treu?

Zog er nicht aus, die Schurken

In eurem Namen fassen?

 

Heinrich: Tat er´s für seinen König,

Oder für seine Braut?

Oder gar für Ruhm?

 

Zacharias: Gott weiß für wen er´s tat.

 

Heinrich: Was nützt es mir,

Wenn Gott es weiß?!!

Ich muß - ich will es wissen.

 

Zacharias: Gott ist auch, der eure Hirte.

Auch euer Weg ist Gottes Werk.

 

Heinrich: Wozu bin ich dann König,

Wenn Gott schon alles vorbestimmt?!

Dann bräucht´ man keinen König auf Erden mehr,

Wenn eh´ alles nur von Gott bestimmt.

 

Zacharias: Ganz so einfach ist es auch nun nicht.

 

Heinrich: So?!

Dann sagt es mir, wie es denn sei!

 

Zacharias: Gott gibt uns den Weg schon vor,

Doch heißt es nicht, daß ein jeder diesen geht.

Seht all die Sünder,

Die Gottes Pfade längst verließen,

Verführt vom Bösen.

 

(Heinrich steht auf und gießt sich selber nach.)

 

Vor diesen armen Seelen gilt es nun

Gottes Herde zu beschützen.

Denn Teufels Werk,

In Windeseile sich an Menschen mehrt.

So ist es euer Weg, das Volk zu schützen,

Vor denen, die den ihrigen verließen,

Wie der Hund, der seine Herde vor den Wölfen schützt.

Der uns´rige ist es nun, den Hirten gleich,

Allen Seelen Beistand und auch Halt zu geben.

 

Heinrich: Das würde heißen,

Daß die Kirchen über Königshäusern stünde.

 

Zacharias: Nach Gottes Willen ist es so.

 

Heinrich: Ist Gottes Willen Kirchen-Willen,

Oder heißt hier Kirchen-Willen - Gottes Willen!?

 

Zacharias: Euer Hoheit, ihr seid noch jung,

Doch versündigt eure Seele nicht

Mit eurem jugendlichen Übermut.

Genug davon, auch ich will mich zur Ruhe legen.

Ihr erlaubt, wenn ich mich nun entferne?

 

(Heinrich macht eine zustimmende Handbewegung, Zacharias erhebt sich mühselig und geht.)

 

Heinrich: Jugendlicher Übermut!

(Trinkt aus.)

Wir werden seh´n.

 

(Vorhang.)

 

 

 

Auswahl

 

letzte Bearbeitung: 29.01.2012 Literatur Dramen Kontakt: Ray Helming