Götter, Menschen, Irrtümer



Erster Akt



Erste Szene

 

(Der stattliche Kephalos verfolgt ein furchtsames Wild in der schwindenden Nacht. Eos verdrängt die Dunkelheit und erblickt den schönen Jäger.)

 

Eos: Täuschen meine Augen mich,

Oder ist der Mann dort Wirklichkeit?

Er ist so. Wie soll ich`s sagen?

Ich spür` das Verlangen ihn zu entführen,

Für immer in meinen Gemächern festzuhalten.

Ach, wenn doch nur mein Wunsch geschehen würd`.

Doch wozu bin ich ein Titanenkind,

Besitz` ich nicht auch Götterkräfte?

Nun ja, auf zu neuen Liebesabenteuern,

Daß dieses nicht so enden wird,

Wie einst das Glück,

Von Poseidons riesenhaften Sohn,

Welcher mir genommen von den Pfeilen

Der allzu eifersüchtig`n Artemis.

 

(Eos tritt in Menschengestalt hinter einem Baum hervor.)

 

Eos: Was jagt ihr? Ist`s ein Tier,

Ein Weib, oder gar das Glück?

 

Kephalos: Ein Wild jag` ich.

Denn daheim wart` mein Weib

Und somit auch mein Glück.

Doch sag` mir, was du treibst

Zu so früher Stunde hier im Wald allein.

Auf der Jagd kannst du nicht sein,

Seh` ich doch keine Waffen?

Und auf der Suche nach trocken Holz

Für die Feuerflammen, sind and`re Tageszeiten

Nicht weitaus besser hier beschaffen?

Sag`, was führt dich in den Wald!

 

Eos: Mein täglich Geschäft geh` ich hier nach,

Das mich zu früher Stund aus meinem Hause zwingt.

So komme ich von dort nach dort

Und sehe manch fernen Ort

Und heute fand ich dich.

Von deiner Schönheit, Anmut so stark angezogen,

Daß ich nicht anders konnt`,

Als dich nah` zu seh`n.

Und prompt befind` ich mich

Auch schon auf einer Jagd.

 

Kephalos: Auf der Jagd?

 

Eos: Ja, auf deiner Jagd.

 

Kephalos: Ach so, ich versteh`.

 

Eos: Wie ist dein Name?

Ich hab` dich hier noch nie geseh`n.

Bist du von hier?

 

Kephalos: Man nennt mich Kephalos,

Der Mann der Prokris, und wohn nicht weit von hier.

Aber warum fragst du mich?

 

Eos: Ach, nur so. Ich will nur wissen,

Mit wem ich es zu schaffen hab`.

Heutzutage treiben sich so viele

Falsche und auch schlechte Menschen

Auf diesem Land herum,

Daß man überrascht sein muß,

Plötzlich einen so ehrlich-herrlich

Schönen Menschen anzutreffen.

Das nenn` ich Götterglück.

 

Kephalos: Du schmeichelst mir.

Aber werd` ich das Gefühl nicht los,

Daß hier was stinkt.

Sag`, wer du bist,

So schön wie die Morgenröte

Und doch so rätselhaft.

 

(Eos nimmt ihn bei der Hand.)
Eos: Ich muß dir nicht mal meinen Namen nennen,

Du weißt ihn schon. Und nun komm,

Ich will das wahre Menschenglück,

Welches nicht allein auf Erden weilt, dir zeigen.

Damit du begreifst, welches Glück du hast,

Daß ich dich entdeckt und du mich verzaubert hast,

Auf daß eine neue Liebe in deinem Herzen reift.

 

(Der arme Kephalos ist sprachlos und wird von der Göttin mit in ihren Palast genommen.)



 

Zweite Szene

 

(Prokris sitzt am Brunnen nieder und beklagt unter vielen Tränen den Verlust ihres Mannes.)

 

Prokris: Kein Laut, kein Ton, der Freude

Soll mir je wieder über meine Lippen kommen,

Wenn mein Kephalos hinab gestiegen seien soll.

Doch weder Spuren noch and`re Dinge

Geben Hoffnung auf den Ort,

Wo er zu seien scheint.

Wie von Götterhand ins Nichts.

Geliebter, wo magst du nur stecken?

Oh Aphrodite, ich bitte dich,

Gib mir meinen Kephalos zurück!

Tausend Opfer will ich zum Dank dir bringen,

Wenn du mich erhörst.

 

(Apollon nähert sich leis`, in Gestalt eines alten Mannes, der Trauernden.)

 

Prokris: Was soll ich nur tun?

Bin ich euch Göttern so verhaßt,

Daß ihr mir nicht meinen Lebenssinn,

Meinen stolzen Manne laßt?

Er ist, oder muß ich schon sagen war,

Mir der Liebste hier auf Erden.

Mein Herz kann nie und nimmer glücklich werden

Und Trauer wird mein Ende sein.

 

Apollon: Ich seh`,

Ich komm` wohl nicht zur rechten Zeit?

Oh, mein armes Kind, das Schicksal

Hat dir wohl gar übel mitgespielt?

Sag`, was macht dein Herz so schwer,

Daß deine Augen durch Schleier blicken müssen.

 

Prokris: Ach Väterchen.

Mein Liebster ist von seiner Jagd

Des Morgens nicht zurück gekehrt.

Nun beklag` ich voller Unwissenheit

Über seinen derzeitigen Verbleib

Und weiß nicht, was zu machen ist.

Hat ihn doch kein Mensch, zur Zeit

Als die Morgenschöne die Nacht vertrieb, geseh`n.

 

Apollon: Ich komm` von weiter her

Und nächtige wo man mir ein Lager gibt.

Doch letzte Nacht schlief ich im Wald.

Und wie mich viele Vogelstimmen weckten,

Muß ich einen stolzen Jäger,

Doch nicht allein, erblicken.

Bei ihm war ein gar schönes Weib.

Die, wenn ich mich nun recht besinn`,

eher einer Göttin glich als einem Weib.

Nun sprich, ist dein Mann von großer Gestalt,

Trug er einen Umhang in gar blauen Farben

Und ist sein Haupt

Von langen schönen, leicht gewellten Haaren

Dicht bedeckt, denn so sah er aus.

 

Prokris: Beim Zeus, du hast ihn geseh`n.

Er lebt. Doch wohin gingen sie?

Ich fleh` dich an, wohin!

 

Apollon: Ich weiß es nicht.

Doch wenn sie`s war, von der man spricht,

Ich mein die frühgeborene, die rosenfingrige Eos,

Welche bringt den Tag mit samt dem Licht,

Dann ist es wahrlich ein harter Götterschlag,

Der dich nun trifft.

 

Prokris: Du meinst,

Eine Göttin hätte meinen Mann entführt?

Warum sollte sie es tun?

Verzeih mir, doch fällt`s mir schwer

Deinen Worten den nötigen Respekt zu zoll´n,

Ihnen zu glauben ist ein schweres Los.

Doch siehst du weise in meinen Augen aus

Und nicht wie einer, der mit Menschen,

Die in Trauer sind, um seinetwillen

Schabernack zu treiben.

 

Apollon: Ich danke dir, mein liebes Kind,

Für dein holdes Wort, denn dem ist so,

Wie ich`s sag`. Doch ich merk`,

Du kennst die Göttin nicht

Und all ihr einst`ges Schaffen,

So will ich dir`s erzählen, damit du siehst,

Daß auch die Götter trauern müssen, zum Troste dir.

Einst verliebte sie sich

In den riesenhaften Sohn des Erderschütterers

Und entführte ihn, wie deinen Mann,

Auch er war ein gewalt`ger Jäger,

Sein Name war Orion.

Doch die Götter, die da waren auf dem Olymp,

Sie gönnten der Rosenfingrigen nicht solch ein Glück.

Und Artemis, Göttin der Jagd,

Erlegte den Jäger mit ihrem Pfeil

In blinder Eifersucht, da sie alle Jäger

Unter sich allein nur wissen will.

So sagt man, daß die Morgenschöne

Lange Zeit des Geliebten Blut

Am Sonnenaufgang bei sich trug.

Doch da in den Adern deines Kephalos

Kein göttlich Saft sich hin ergießt,

Seh` ich für ihn nicht die Gefahr,

Die einst den Orion bedrohte und auch holte.

 

(Und mit tränverhangenen Augen hörte die trauernde Prokris was der Gott der Weissagung ihr erzählte.)



 

Dritte Szene

 

(Eos und Kephalos in den Gemächern der Göttin.)

 

Eos: Seit du hier bei mir, deinem Glücke wohnst,

Ist noch kein einzig Mal ein Lächeln,

Ein Ton der Freude deinem Mund entschwunden.

Trauerst immer noch der Sterblichen in Liebe nach,

Die wie ihr selbst doch all zu schnell verblüht?

Ich kann euch nicht versteh`n,

Beim besten Willen nicht.

Ich biete dir Unsterblichkeit, und du,

Du willst des Alterns Leid, um ihretwillen?

Wie kann man nur so töricht sein?! Du Narr!

 

Kephalos: Sicher, in deinen Augen,

Die unendlich seh`n,

Mag ich ein Narr auf Erden sein,

Doch meine Liebe, die nur ein Lebender,

Denn nur wer sterblich ist

Kann Leben und auch Liebe wahr empfinden,

Ist von Gier so rein, ohne Verlangen nach Besitz,

Ob Mensch, ob Tier oder and`ren irdisch´ Dingen,

Die wie unser Sein vergänglich sind,

Und ist meine Liebe in deinen Augen auch noch so klein,

So ist sie im Gegensatz zu dei`m Verlangen

Doch kein Schein, und tief in meinem Herzen

Lieb` ich nur sie allein, meine Prokris.

 

Eos: Es scheint mir fast,

Daß du auch meinst, was du da sagst.

Ist doch all zu selten ein wahres Wort

Aus euren Mündern zu vernehmen,

Weil ihr glaubt, jenes sprechen zu müssen,

Was and`re von euch zu sagen hören wollen,

Auch wenn es falsch, Lug und Trug bedeut`.

Doch ich will dich nicht gehen lassen,

Und ich bin mir sicher,

Du wirst mich nicht ewig hassen,

Wie du auch sie nicht ewig lieben kannst.

Denn ihr Menschen werdet, wenn die Zeit verrinnt,

Früher oder später schwach

Und vergeßt doch all zu schnell,

Doch wenn du niemals mein Verlangen stillen wirst,

So sollen eure Wege getrennte Pfade geh`n,

Wenn du sie hörst, und sie dich sieht.

Das soll ein Fluch aus meinem Munde sein!





 

Vierte Szene

 

(Artemis und Eos sind im Garten der Morgenröte.)

 

Artemis: Seit geraumer Zeit ist mir ein stolzer Jäger,

und ich weiß nicht wie, abhanden, einfach weggekommen.

Da erfuhr ich von meines Bruders Mund,

Daß du, meine Teure,

Für sein Verschwinden bist der Grund.

 

Eos: Aaach, wenn du wüsstest!

Wie dumm die Menschen sind, er ist so ...

 

Artemis: Daß die Menschen dumm von Geburt an sind,

Ist mir bewußt,

Doch aber auch so manches göttlich Wesen

Scheint mir nicht sehr schlau zu sein,

Oder ist deine Erinnerung so viel zu klein,

Daß du dich nicht an meine Warnung kannst entsinnen?

 

Eos: Warnung?

Ach ja, ich weiß es wieder,

Doch sprachst du sie nicht aus

Für Wesen von uns`rer Brust?

Ich meine ja.

Doch der Mann in meinen Wänden

Ist von keinem Gott oder Gott gezeugtem Kind,

Er ist ein Sterblicher.

 

Artemis: Es ist mir gleich,

Welches Blut in seinen Adern fließt,

Er ist meinem Stande Untertan.

 

Eos: Ich bitte dich,

Er ist doch nur ein Erdenwurm,

Ach laß ihn mir,

Er ist nicht halb so stattlich

Wie einst mein lieber Orion,

Und dennoch will ich ihn für mich allein.

Doch sollte ich es nicht in sieben Tagen schaffen,

Daß er mich aus freien Stücken liebt,

So will ich ihn zur Erde

Zu den Seinigen für immer gehen lassen

Und nie mehr mich nach ihm verlangen,

Das schwöre ich

Beim eiskalten Wasser des finst`ren Styx.

 

Artemis: Gut, so soll es sein.

Sieben Tage geb` ich dir,

Doch wenn nicht, dann laß ihn geh`n,

Oder es trifft ihn wie einst den Orion

Das Todeslos durch meinen Pfeil in seine Brust.





 

Fünfte Szene

 

(Apollon bei seiner Schwester Artemis in ihren Gemächern.)

 

Artemis: Was treibt dich zu mir, mein Brüderchen?

 

Apollon: Es ist das Leiden und das Klagen

Der all zu schönen Prokris um ihren Mann,

Den Kephalos, der sich in der Gewalt

Der Morgenröte gegen seinen Willen schlecht befind`.

Es ist die Angst, daß du ihn,

Wie einst den Sohn des Erderschütterers,

Durch deinen Pfeil erlegst.

 

Artemis: Na,

Wie sollt` ich nach deiner Meinung handeln?

Ihm der Eos gegen seinen Willen lassen?!

Daß dies nicht geht, ist dir doch wohl bewußt?!

Ich kann nicht das eine sagen

Und das Wort in die and`re Richtung tragen.

Er ist einer meiner Untertanen,

Und somit habe ich allein das Recht

Voll und ganz nach meiner Lust zu bestimmen,

Soll es ihm gut ergeh`n oder schlecht.

Und wenn ich`s will,

Daß er durch meinen Pfeil getroffen stirbt,

Dann wird er dies,

Und sein Leben ist für immer dann verwirkt.

 

Apollon: Bei meinen Gaben,

Tu` dies nicht! Ich bitte dich.

Er wird dir einst von Nutzen sein,

Dessen sei dir wohl bewußt.

Zwinge Eos, sie solle ihn nach freier Wahl

Zu seiner Frau alsbaldig gehen lassen,

Dafür biet` ich dir die Prokris an,

Wenn die Liebe dieser beiden Sterblichen

Nicht hält, was sie versprechen,

Soll sie dir als Dienerin für die Zeit,

Die du bestimmst, treu ergeben sein.

 

Artemis: Stimmt sie in den Handel ein?

Wenn ja? Gut, dann soll er sein.





 

Sechste Szene

 

(Apollon bei Prokris im Haus. Er kommt in der Gestalt des Alten und zeigt darauf hin seine Göttlichkeit.)

 

Prokris: Wie wird mir bang, wie wird mir schlecht.

Kannst du doch nur ein göttlich Wesen sein,

Von denen man doch spricht,

Daß sie wohnen auf dem Olymp.

Bist du gekommen, um auch mich zu holen?

 

Apollon: Nein, keineswegs.

Hab` keine Angst. Ich bin dir gut gesonnen.

 

Prokris: Ich weiß nicht was ich sagen soll,

Es ist alles so wirr und geheimnisvoll.

Kannst du mir nennen,

Wer du bist und was hier geschieht?

Werd` ich meinen Kephalos je wieder seh`n?

 

Apollon: Ich bin dir wohl bekannt,

Gott der Weissagung, Apollon werde ich genannt.

Die Eos hält deinen Manne gegen seinen Willen fest

Und meine Schwester, Göttin der Jagd,

Artemis wird die Morgenschöne zwingen,

Deinen Mann zurück zu dir zu bringen,

Doch nur unter einer Bedingung wird dies gescheh`n.

Nichts darf eure Liebe niederzwingen.

Wenn doch, mußt du für lange Zeit,

Meiner Schwester treuergeben dienen,

Bis sie dich aus freien Stücken,

Wenn sie`s für richtig hält, wird gehen lassen.

 

Prokris: Ich seh`, ich habe keine Wahl,

Wenn ich meinen Kephalos will wiederseh`n.

Zumal muß mir nicht bange sein,

Denn uns`re Liebe kann nichts ins Wanken bringen,

Sie ist unendlich rein.

Deshalb seh` ich keinen Grund,

Weshalb ich sollt sagen nein?

Ja, es soll so sein.

 

Apollon: Ich freu` mich für dich,

Doch sei auf der Hut.

Nichts ist im Leben wirklich so gut,

So sicher wie es dir auch scheinen mag.

Denn der Schein, kann all zu oft

Zu hell doch sein,

Und blendet somit die Vernunft.

Der Keim ist klein, doch das Unkraut,

Wenn`s erst Wurzeln schlägt,

Kann im Nachhinein nicht wieder fortgetragen werden,

Denn keine Zeit lässt sich zurück bewegen.

Merk` dir meine Worte wohl genau!





 

 

Inhalt
letzte Bearbeitung: 29.01.2012 Literatur Dramen Kontakt: Ray Helming