Die
Verfluchten Prolog |
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Erster
Auftritt |
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(Finsterer
Thronsaal, König Egbert sitzt auf seinem Thron, der alte Einsiedler steht
vor ihm und der Minister neben dem König.)
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Minister: | (Mit
erhobener Stimme.)
Du bist des Wilderns angeklagt. Was dies bedeutet, ist dir wohl bekannt?
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Johannes: | Des
Wilderns? Angeklagt?
Ein totes Tier nahm ich mit mir, Welches am hohen Alter sicher starb.
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Minister: | Ein
Hase war`s, der von dir tot gefangen ward.
Doch da du noch nie zuvor, So sollen fünfzig Hiebe mit dem Stock dir reichen, Dann kannst du von dannen zieh´n. Verlass´ das Königreich auf ewiglich Und breche auf bis der nächste Tag anbricht!
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Johannes: | Von
dannen zieh´n?
Seit vielen Jahren leb´ ich im dichten Wald, Im großen Moor bin ich zu Haus´. Wo soll ich alter Greis denn hin?
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Minister: | So
bist du, von dem man spricht,
Daß es ihn gibt, den keiner sieht? Den man für den Geist des Moores hält?
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Johannes: | Ich
kann nicht sagen, was die Leute sprechen,
Seit ich im Schoß des Moores leb´, Hab´ ich kein Mensch geseh´n, auch nicht gehört.
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Minister: | (Zum
König.)
Er ist´s! (Zum Alten.) Es ist des Königs Land auf dem du lebst. Die Dinge, von denen du dich nährtest Sind des Königs Eigentum!
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Johannes: | Des
Königs Land? Ich gab´s ihm nicht.
Des Königs Eigentum? Das glaub´ ich nicht.
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(Minister
dreht sich erstaunt zum König um und lauter werdend zum Alten.)
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Minister: | Seit
Geburt ist´s das Seinige!
Und seit ich Minister bin, so weiß ich recht, Hast du noch kein einzig Mal Die Steuern deinem Herrn gezahlt.
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Johannes: | (Erstaunt.)
Was? Wofür?
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Minister: | (Ruhig.)
Er ist dein König, er ist dein Herr!
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Johannes: | Ich
hab´ ihn nicht dazu gemacht.
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Minister: | Er
ist´s von Gottes Gnaden.
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Johannes: | Von
welchem Gotte sprechet ...
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(Minister
fällt ihm laut und erbost in´s Wort.)
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Minister: | Es
gibt nur einen!
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Johannes: | (Bleibt
ruhig.)
Und ich kenn mehr.
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Minister: | Für
diese Blasphemie und Steuern
Die du viele Jahre nicht gezahlt, Kommst du in den Hungerturm.
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Johannes: | In
den Turm soll ich? Wofür?
Weil ich einen toten Hasen fand? Weil ich viele Jahre unentdeckt im Moor gelebt? Weil ich nach dem Gotte fragte, Der euer Herz bewegt? Was ist das für ein Gott, der euch das Recht Für so viel Unrecht gibt? Und Ihr, Herr König! Duldet schweigsam, wie man das Recht des Lebens Durch Tyrannei gar blutig tritt? Ihr schweigt noch immer? Ich seh´s jetzt, Denn der Tyrann sitzt auf dem Throne. Vergebens war mein Hoffen, Daß man mich verschone.
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König: | (Mit
tiefer finstrer Stimme deutlich aber nicht laut.)
Es reicht! Genug Geschwafel von dem Alten. Bei Gott, wie ich auf dich hernieder schau. Du unbedeutend Wurm! Dich wird keiner je vermissen, (Zum Minister.) Ruf´ die Wachen, Daß er weg von meinen Augen kommt!
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Johannes: | Von
Gott sprecht ihr?!
Ihr meint euch selbst! Ich kenne keinen Gott, Der je so bös´ regiert´.
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König: | (Finster
lächelnd zum Minister.)
Halt! Auf dem Rade will ich ihn seh´n! Man sage dem Volk, ein Mörder ist´s. Und was den Mord angeht, Da´s noch keine Leiche gibt, So laß ein nichtig Bauernkind erschlagen, Werf´s den Hunden vor, Doch passe gut auf, daß was übrig bleibt, Daß wir´s dem Volke zeigen können. Uns bleibt nur das leichte Spiel, Der Alte hätt´s verschlungen. Dumm ist der Pöbel und wird´s uns glauben, Uns wird er lieben und dich ...
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(Schaut
noch finst´rer zum Alten und lacht los, dreht sich wieder zum Minister.)
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Doch
bevor du ihn zum Rade führen läßt,
Soll der Folterknecht die Finger kneifen, Tags darauf alle Zähne brechen, Dem Volke zeigen wir dann Bärenklauen und auch Zähne Sagen, daß es seine wär´n. Und vergiß nicht auch die Zunge zu entfernen. Welch ein schaurig schöner Plan.
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(Minister
geht die Wachen rufen.)
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Johannes: | (Mit
Haß erfüllter Stimme.)
Verflucht seist du! Nicht länger soll dein Blut König nach deinem qualvoll Tode sein! Das schwöre ich!
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(Wachen
kommen herein, Alte wird abgeführt; Vorhang.) |
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Zweiter
Auftritt |
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(Johannes steht vorm Fenster seiner
dunklen Zelle, graurotes Morgenlicht dringt schwach herein.)
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Johannes: |
Oh, du wunderschöner Morgen,
Welche neuen Qualen bringst du mir?
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(Streckt seine mit alten gammligen
blutgetränkten Tüchern verbundenen Hände dem Fenster entgegen.)
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Meine Finger ha´m sie schon,
Heut´ woll´n sie meine Zunge und die Zähne, Bevor das Rad mein Ende dreht.
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(Ein Sonnenstrahl fällt durch´s
Fenster und setzt ihn in´s Bild, er läßt langsam die Hände sinken.)
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So satt sah ich das Grün an keinem
Punkt im Jahr
Und die Sonnenstrahlen kämpfen, doch sie werden rar. Unzählig´ Elfen sah ich schon auf Wiesen tanzen, Wie sie die Tiere und auch Pflanzen wiegen Bis die Sonne zärtlich Leben weckt, all die ganzen. Spinnenkleider magisch durch die Lüfte zieh´n, Der Schlaf von Mückenschwärmen arg geneckt, Die Vögel bald nach Süden - um im Frühjahr Heim zu kehren All die vielen Kreaturen, wie sie unter´m Himmel sind, Wappnen sich - auf ihre ganz bestimmte Art, Ihr Ziel: den Winter überleben, Auch wenn er kommt so stark und hart. Und mir naht das Ende, wie auch all den Tieren, Die nur einen Sommer sah´n, Weil´s ihnen so bestimmt, wie mir. Es muß das Alte weichen - dem Jungen, Den Platze übergeben, so ist das Leben, Und das Alte lebt im Jungen weiter, Also ist alles was im Maie neu entsteht Das Weiterleben aller Todgeweihten. Und kein Tier - noch Mensch Kann sich diesem Kreise je entzieh´n. Meine Knochen einst viele and´re Leben stützten, So werden meine Augen auch aus and´ren Richtungen Die Welt erblicken, wenn sich diese beiden Äpfel In einem and´ren Schädel, ihrem neuem Herrn Des Sehens neu beweisen müssen. Doch mein Geist wird in keinem Tier Sich niederlassen, denn der Geist Ist frei von Körperschaft - der Last, Der ich nun durch Zwang entbunden werd´, Nein, mit Elfen wird er sich in allen Freuden, Die sie kennen, liebend laben - nichts entsagen, Des Lebens Banne wird durch des Henkers schwerer Schläge, Ihm zur Last und mir zum Heil hinweggehaucht. Früh genug - doch viel zu früh - hab´ ich der Menschen Bösen Selen wohl durchschaut, suchte viele Jahre, Mit Erfolg, die sich´re Ferne von ihrer schlechten Nähe, Um mein Ende doch durch ihre bösen Eigenarten zu erfahr´n. Es scheint fast so, daß ich die vielen Jahre Meines stillen Glücks, an ihre Gier nach Macht In Blut und Leben zahlen müßt.
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(Lebhafter werdend, beginnt langsam
hin und her zu laufen.)
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Aber diese Bluttat soll der König
Mit all sein` Leben, die noch kommen werden Hoch bezahl´n, auf eben diese und auch and´re Leidensreichen Formen, soll dieses Herrscherhaus Für ewiglich von dieser Welt verschwinden!
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(Bühne wird hell beleuchtet; Vorhang.) |
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letzte Bearbeitung: 29.01.2012 | Literatur | Dramen | Kontakt: Ray Helming |